Frost mocht Mathias nicht. Kroch ihm in die alten Glieder. Seine Hände mochten die Wärme. Saß lieber in der Sommerabendsonne vor dem Haus, die Beine von sich gestreckt. Hatte genug Holz zum Heizen. Doch in der Frühe raus in der Kälte. Ungern. Die Kühe wollten nicht warten. Das Wasser im Haus war kalt im Winter. Hatte nur einen Holzboiler. Wurde nur zum Baden eingeheizt. Stube und Küche brauchten Zeit, bis sie warm wurden. Wenn die Kinder im Dorf den Schlitten zum Berg zogen, freute er sich. Aber es war nicht seine Jahreszeit. Früher hatte er den Winter lieber gemocht. Doch das Schnee räumen war da schon eine arge Plag gewesen. Holz hatte Mathias genug vorm Haus. Nur das Kleinmachen übernahm manchmal der Nachbarsjunge. Der hatte genug Energie.
Mathias
Mathias #14
Daheim war Mathias gern. Er musste nicht fort. Nie im Urlaub gewesen. Er fühlte sich auf dem Hof zuhause. Warum hätte er woanders hingehen sollen. Wenn er zum nächsten Ort fuhr, um etwas einzuholen, dann langte es. Nach München oder Augsburg rein war er nur selten gewesen. Das wenige an Gewand, was er noch brauchte, hatte er in Aichach gekauft. In der großen Stadt kam er sich verloren vor. Ein paar Mal war er mit dem Zug nach München gefahren. Was erledigen. Keine große Freude für ihn gewesen. Im Herbst war er gern in der Küche. Eine Suppe war immer auf dem Herd. Mehr brauchte er oft nicht. Gern trank er am Nachmittag noch einen Kaffee. Die Nachbarn brachten ihm oft einen Kuchen vorbei. Er redete oft mit seiner Frau. Sie verstanden sich gut, auch wenn sie schon länger tot war. Wenn abends jemand vorbei kam, gab es oft einen Obstler. Allein trank er ihn nie. Aber er mochte ihn, wärmte ihn ein wenig.
Mathias #10
Er konnte sich nicht jeden Tag rasieren. Dafür fehlte ihm die Geduld. Ging am Wochenende. Samstags badete er immer. Mathias mochte Rituale. Regelmäßigkeit. Morgens und abends im Stall die Kühe melken. Tagein, tagaus. Jahrein, Jahraus. Seine Kühe liebten es auch. Er liebte die Gespräche in der Früh und am Abend. Frühstück und Abendbrot gab es danach. Winter wie Sommer. Sein Biervorrat wurde auch selten leer. Rechtzeitig gab es einen neuen Kasten. Holte ihn mit dem Fendt. Zur Brotzeit trank er immer ein Bier. Wenn Besuch kam, konnte es auch ein zweites werden. Aber nur dann. Kein Rausch. Kein Exzess. Der Wind trieb die Herbstblätter ins Haus. Rote und gelbe. Freute sich über den Besuch des Baumes in seinem Haus. Am Sonntag, vor der Kirch, telefonierte er mit seinen Kindern. Bei den Obstbäumen halfen die Nachbarn. Äpfel. Birnen. Alles konnte er nicht essen. Manches Obst blieb unter den Bäumen liegen. Doch gerne machte er Bratäpfel. Schob ein paar ins Rohr. Die Nachbarin machte dazu Vanillesoße. Sie aßen dann mit roten Köpfen.
Mathias #9
Als seine Frau gestorben war, hat er sich nur schwer um seinen Hof kümmern können. Der Tod war überraschend gekommen. In der früh war alles wie immer gewesen. Sie waren zusammen in den Stall gegangen. Hatten danach gefrühstückt. Später war er zum Heu machen rausgefahren mit dem Bulldog. Als er gegen Mittag heim kam, lag seine Frau tot in der Küche. Er hat noch den Arzt angerufen. Doch es war nichts mehr zu machen. Herzinfarkt. Damit hatte er nicht gerechnet. Wusste nicht ein noch aus. Die Nachbarn kamen und halfen ihm. Beim Vieh, beim Haushalt. Brauchte eine Weile, bis er sich wieder gefangen hatte. Nun besuchte er Theresa immer auf dem Friedhof. Redete mit ihr. Auch daheim redete er oft mit ihr. Wenn er unter Menschen war, sehnte er sich manchmal nach Ruhe. Um Zeit für seine Frau zu haben. Waren über 50 Jahre verheiratet gewesen. Da vergisst man nicht. Da heilt keine Zeit Wunden. Da lebt der Mathias weiter mit seiner Frau. Sein Schlafzimmer sieht aus wie früher. Doppelbett. Beide Betten bezogen. Das eine unberührt. Warum sollte er was ändern? Er war nicht allein. Wie hätte er das sein können nach so langer Zeit?
Mathias #7
Sein Hof hatte noch einen Misthaufen. Freute die Hühner. Mit der Schubkarre musste Mathias den Mist aus dem Stall rausfahren. Morgens, abends. Hatte zum Glück Hilfe. Kein moderner Laufstall. Im Sommer trieb er die Kühe auf die Weide. Freute die Kühe. Hatten dort ihre Ruhe. War nicht weit vom Hof, schräg gegenüber. Als Mathias noch mehr Kühe hatte, mussten sie oft weiter gehen, weil sonst das Futter nicht langte. Aber die fünf waren genügsam. Wie der Mathias. Der brauchte auch nicht mehr so viel. Seine Hühner waren auch mit dem zufrieden, was sie so fanden. Mathias Schuhe waren schon öfter beim Schuster. Auch sein Gewand wurde hier und da geflickt. Nur am Sonntag war er herausgeputzt. Sein Gesicht hatte oft Bartstoppeln. Am Sonntag sah man meist keine im Gesicht. Er ging gern in die Messe. War schon immer so gewesen. Doch einen Pfarrer gab es nicht immer. Das störte ihn. Den Pfarrer verstand er nicht immer. Das war dem Mathias nicht so schlimm. Irgendwie mochte er den neuen. Kam aus Indien. War immer freundlich.
Mathias #5
Wenn Nebel lag, die Kälte drang in seine Glieder. Im wurden die Hände noch schwere, der Rücken wurde zum Kreuz. Mathias liebte den Herbst nicht. In der Früh lag schwarze Luft über seinem Hof, die Lichter im Stall gaben kaum Helle. Der Atem der Kühe schleuderte ihm Wolken entgegen. Fliegen vergangen. Schwalben das Weite gesucht. In seinen Träumen wäre er manchmal gern mitgeflogen. Birnen und Äpfel hingen noch am Baum. Alles konnte er nicht mehr ernten. Unter den Bäumen sammelten sich das Fallobst. Nach dem Stall an den Ofen. Der Kaffee wärmte ihn von Innen. Seine schweren Stiefel standen vor der Türe. Der Lehm bröckelte nur langsam von der Sohle. Hin und wieder kam der Kater und forderte seine Milch ein. Das harte Brot tunkte er gern in seine Tasse. Wenn ihm jemand Kuchen brachte, war er glücklich.
Mathias #4
Seine Hühner hatte Mathias schon lange nicht mehr gezählt. War ihm nicht mehr so wichtig, manchmal kamen Nachbarskinder und sammelten dann die Eier ein. Mathias nah es da nicht so genau. Waren es zehn Hühner oder zwölf? Die Kinder fragten ihn, sie zählten Hühner und Eier. Überall liefen sie herum. Gingen zu den Kühen und über die Wiese. Immer wieder auch über die Straße. War nur eine kleine Straße. Wenig Verkehr. Manchmal hupte ein Autofahrer, der es eilig hatte. Mathias hatte es nicht eilig. Seine Schritte waren langsam geworden. Sein Rücken ein wenig krumm von der schweren Arbeit. Noch immer nahm er die Mistgabel in die Hand. An manchen Tagen, wenn es nicht anders ging, ließ er die Mistgabel stehen. Das waren nicht seine Tage. Fühlte sich dann unnütz. Er könnte auch ins Altersheim gehen. Dort bräuchte er nicht zu arbeiten. Dort könnte er dann auf den Tod warten. Sein Hof war seine Heimat. Er hatte ihn nie länger verlassen. Woanders hielt er es nicht aus. Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Wenn die Sonne schien, warfen seine Hühner lange Schatten in der Abendsonne. Dann saß er noch lange auf der Bank vor seinem Haus. Trank ein Bier. Nachbarn kamen und setzten sich dazu. Manchmal brachten sie was zum Essen mit. Mathias redete nicht viel. Zufrieden lächelte er seine Besucher an.
Mathias #1
Sein Gesicht war nicht glattgebügelt. Tiefe Spalten hatte die Sonne eingegraben. Gesichtspflege schien ihm eher Zeitverschwendung. Die Bartstoppeln längst grau, gingen schon ins Weiss über. Auch die Kopfhaare, durchaus noch vorhanden, waren mit der Zeit immer heller geworden. Nur seine kräftigen Augenbrauen werten sich noch tapfer. Seine Frau war schon lang verstorben, die Kinder lebten irgendwo. Sein Bauernhof war seine Welt. Nicht weniger. Andere flogen nach Amerika oder Malle. Er war hier geblieben. Hatte den Hof von seinem Vater übernommen. Der ältere Bruder hatte nicht gewollt. Zu wenig Ertrag. Mathias hatte nicht mehr gewollt. War zufrieden gewesen. Hat nie viel investiert. Warum auch. Seine Hände waren groß und schwer von der Arbeit. Fester Händedruck. Mathias hatte kein Handy. Seinen Bulldog fuhr er selber. Von satellitengestützter Kommunikation hatte er mal was im Wirtshaus gehört. Hat nie alles haben wollen. Ging ja früher auch ohne. War zufrieden mit seinen Kühen. Bekam auch ein wenig Rente. War jetzt schon über achtzig. Da brauchte er nicht mehr viel. Er hatte ein paar Sachen zum Anziehen. Für den Winter hatte er Holz gemacht.