Die Kälte wich aus der Stadt. Nachtfrost wurde weniger. Klopapier wurde jetzt öfters auf Fahrrädern transportiert. Manchmal hatte Franz das Gefühl, das die mit Klopapier beladenen Menschen fragende Blicke hinterherschauten. Nur selten rief jemand fragend hinter dem Radler her. Nur selten. Doch in den Augen der nichtfragenden Passanten stand die Frage im Gesicht geschrieben: Wo? Franz sah seine Vorräte gelassen weniger werden. Es schien ihm eine Notwendigkeit, das Vorräte schrumpfen um dann bei Zeiten wieder aufgefüllt zu werden. Spannender fand Franz die Frage, ob es in neun Monaten eher mehr oder weniger Kinder geben würde.
Natürlich dachte Franz auch über ernstere Fragen nach. Die Triage war eine. Sie schien im zutiefst unmenschlich. Und unanwendbar. Sie zeigte das Versagen des Staates an. Sie zeigte auch das Versagen der Europäischen Union. Bei einer sinnvollen Verteilung der Erkrankten vermeidbar. Das Zuschauen Zynismus. Das Ende einer gerechten Gesellschaft. Das Scheitern der humanistischen Idee.
Am Nachmittag schwang sich Franz aufs Rad und radelte in den Süden. Schnell hatte er die Stadt hinter sich gelassen. Frühlingsluft. Grün wurden die Bäume. Die kalten Nächte hatte den Blüten zu schaffen gemacht. Doch die Natur würde sich erholen. Ostern würde Franz mit Maria nicht nach Italien fahren können. Ostern waren sie immer in Florenz gewesen, seit Franz Maria kannte. Ostern ohne Marias Familie würde seltsam sein. Doch es würde vorbei gehen. Besser wurden die Zahlen. Besser.
Es klingt verrückt, aber wenn eine Katzenmutter ihre Babys umsiedeln muss, macht sie Triage. Sie kann nämlich nur eines pro Wegstrecke tragen und läuft Gefahr, jederzeit unterbrochen oder aufgehalten zu werden.
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